Druckhinweise

Für ein optimales Druckergebnis sollten folgende Einstellungen vorgenommen werden:

Einstellungen -> Gesamtbild -> Schriftart: Dok. spezif. Schrifte, inkl. dyn.
Einstellungen -> Gesamtbild -> Farbe: nicht Ersetzen lassen
Seite einrichten: Oben 0, Unten 0, Links 0, Rechts 0 cm
Seite einrichten: nichts angekreuzt in Kopf-/Fußzeile/Seitenoptionen

Diese Einstellungen gelten für Firefox, Windows, Linux/Unix/BSD und Macintosh. Firefox: Ansicht 100%

Internet Explorer, deutsche Version (6.0 und höher):
Ansicht -> Optionen -> Allg. : Text schwarz, Hintergrung weiß
Datei -> Seite einrichten: DinA4, Links 0 Rechts 0 Oben 0 Unten 0 cm, Kopf-/Fußzeile ... : leer lassen

RTF Format, für Word (kontrolliert mit Word2000):
Datei -> Seite einrichten -> Seitenränder: Oben/Unten: 0 cm; Links: 0 cm, Rechts: 0 cm

Close
Back to links

Amnesty International Gruppe Miesbach (1431)

Impressum

Gruppe Miesbach (1431)

Spuren im Land (13): "Es war doch schon fast vorbei."

Fussstapfen im Schnee

Es war am 4. Mai 1945. Drei Tage zuvor war es dem amtierenden Bürgermeister von Miesbach, Carl Feichtner, gelungen, den Stadtkommandanten Oberstleutnant Barbarino von seinem Vorhaben abzubringen, "Miesbach bis zum Letzten" zu verteidigen, war die Schlierachbrücke durch den mutigen Einsatz Miesbacher Bürger vor der Sprengung durch die SS bewahrt worden, war eine nächtliche Werwolfaktion nur daran gescheitert, "weil der Werwolfführer wegen totaler Betrunkenheit aktionsunfähig war". Bevor die Stadt am 2. Mai den Amerikanern kampflos übergeben werden konnte, waren noch bange Minuten zu überstehen: Die Amerikaner wurden beim Einmarsch beschossen, und vom Stadelberg her schlugen noch einige Artilleriegranaten ein und rissen einer Frau die Lunge auf. Der amerikanische Befehlshaber konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, "Luftunterstützung" anzufordern. Was den Miesbacher Stadtpfarrer Trasberger bewogen hat, in seinem Einmarschbericht vom 30. Juli 1945 von einem "ruhigen und reibungslosen Einmarsch" zu sprechen, bleibt ein Rätsel.

Allerdings nimmt der Stadtpfarrer kein Blatt vor den Mund, als er auf die ersten Wochen der Besatzungszeit zu sprechen kam:

"Wegen der drohenden Stellungnahme der SS hatte Miesbach wochenlang eine recht harte Besatzung wie wohl kein Ort der Umgebung, hauptsächlich durch Neger und Gaullisten, auszuhalten. Es wurde ein paar Wochen lang reichlich geplündert, in manchen Häusern die Einrichtungsgegenstände demoliert, gestohlen, geraubt, bei Tag auf offener Straße Uhren, Ringe usw. abgenommen; bis heute ist die Besatzung noch recht groß, viele Familien sind außerhalb ihrer Wohnungen recht dürftig untergebracht. In einigen Fällen hat man auch von schweren sittlichen Vergewaltigungen, sogar von Kindern, gehört."

Der Bürgermeister scheint wiederholt bei der Militärregierung vorstellig geworden zu sein, wurde aber mit dem Vorwurf abgewiesen, "dass das Leid, welches hier zu erdulden ist, nur einen kleinen Bruchteil dessen ausmache, was deutscherseits in den eroberten Ländern jahrelang verbrochen wurde". Aber wer Recht hat, ist nicht immer gerechtfertigt.

"Neger und Gaullisten" kommen in Aufsätzen über diese Zeit immer paarweise vor. Ihr 10-tägiger Aufenthalt in der Gegend ist weitgehend negativ besetzt, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Wenn sie nicht auf "Freinacht" in Miesbach waren, lagerten sie auf der Pfarrerwiese in Müller am Baum, heute ein friedlicher Brotzeitplatz für Touristen. Damit sind wir bei unserer Geschichte angelangt.

Am Nachmittag des 4. Mai 1945 radelte der 21-jährige Toni Schweiger von Miesbach nach Müller am Baum. Er hatte für seine Großmutter Einkäufe getätigt. Auf dem Gepäckträger saß seine Freundin Maria. Beim Jackernbauer waren Amerikaner stationiert. Da sich Toni nicht ordnungsgemäß ausweisen konnte, forderten sie ihn auf, sich durch ein bayrisches Lied/einen Jodler "freizukaufen". Toni, ein begabter Musikant, sang das Bayrischzeller Lied und die beiden durften weiterfahren – bis sie in Müller am Baum auf die Franzosen stießen. Bei denen kam er nicht mehr so glimpflich davon. Toni war kurze Zeit bei der Waffen-SS gewesen, war aber aus gesundheitlichen Gründen (und auf eigenes Betreiben) wieder ausgemustert worden. Den alten Ausweis der Waffen-SS hatte er dabei, nicht aber den Ausmusterungsbescheid. Sein zweites Unglück war, dass er auf einen Franzosen aus Toulouse stieß, dessen Vater von der SS umgebracht worden war.

Maria durfte gehen und sollte ihn nicht wiedersehen. Toni wurde in der Papierfabrik eingesperrt und noch einmal gegen vier Uhr nachts gesehen, wie er abgeführt wurde. Oberhalb der ehemaligen Kiesgrube im Wald von Wall wurde er erschossen. Nach drei Tagen fanden ihn spielende Kinder, mit Ästen zugedeckt und die Hosentaschen nach außen gekehrt. Als Tonis Mutter die Nachricht bekam, fing sie laut zu schreien an, und auch später durfte man seien Namen nicht erwähnen, ohne dass sie in Tränen ausbrach.

Die Bergung der Leiche gestaltete sich schwierig, denn damals herrschte bereits Ausgangssperre. Man besorgte ein Pferd, hob den leeren Sarg hinauf und setzte die vierjährige Nichte Erika auf den Sarg, um leichter durch die Militärkontrollen zu kommen. Die Bergung der Leiche hat man ihr erspart und sie vorher bei einem Bauernhof abgesetzt.

Eine Untersuchung des "Vorfalls" hat es nie gegeben, bei einem späteren Besuch am Tatort hat man noch die Schusslöcher im Baum gesehen, und im Jahre 1947 hat man unterhalb des Tatortes ein Marterl aufgestellt, das von der Nichte Erika bis heute liebevoll gepflegt wird. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass das Marterl später einem Autofahrer das Leben gerettet hat, denn wenn ihn der Stein nicht abgebremst hätte, wäre er gegen einen Baum gefahren.

Der Standort des Marterls ist nicht leicht auszumachen, und irgendwie passt das zur (Nicht)Erwähnung des "Vorfalls" in der einschlägigen Literatur. In Michael Gasteigers "Heimatbuch", lange Jahre das Standardwerk über Miesbach, kommt der "Vorfall" nicht vor. Das ist für Gasteiger bezeichnend, denn schon die Nazizeit kam bei ihm kaum vor, aber dafür hat er sechs Seiten für die Räteregierung von 1919. Pfarrer Trasberger spricht in seinem Bericht von "einem oder zwei toten Soldaten am Ortseingang/Tölzerstraße", lässt aber offen, "ob es Amerikaner oder SS waren". Am deutlichsten wird noch Pfarrer Isenmann aus Wall, der in seinem Einmarschbericht vom 17. Juli 1945 schreibt:

"Im Pfarrwald wurde wenige Tage später (nach dem Fliegerangriff der Amerikaner um den 30. April) ein Soldat völlig ausgeplündert erhängt aufgefunden. Wie die Bevölkerung von Müller am Baum erzählte, haben ihn dort durchziehende Franzosen aufgegriffen und mit fortgenommen."

Es spricht einiges dafür und anderes dagegen, dass es sich hier um Toni Schweiger handelte. Der Pfarrer nennt keine Namen, und das mit den "durchziehenden Franzosen" scheint auch nicht ganz zu stimmen. Umso genauer aber ist er bei Sachverhalten, die ihn selber betreffen. Als er von Plünderern im Pfarrhaus spricht, vergisst er nicht zu erwähnen, dass "sie den Messwein suchten und fanden und alles mitnahmen – 27 Flaschen".

Den Diebstahl des Messweins kann man verzeihen, die Ermordung von Toni Schweiger nicht – trotz der Verbrechen, die "deutscherseits" begangen wurden.

Fehler Fehler

Wir danken unseren Informantinnen Elfriede Brandmaier und Erika Hagleitner (beide geb. Schweiger).

Folge 14: Miesbach in Yad Vashem